Unübersehbar fehlen in bestimmten Wirtschaftsbereichen gut ausgebildete Arbeitskräfte, so beispielsweise in der IT, des Heizungs- und Sanitärhandwerks oder in pflegenden Berufen. Hinzu kommt, was lange voraussehbar war, dass die „Babyboomer“ in Rente gehen und ihr Fach- und Erfahrungswissen „mitnehmen“. Es wird von den „Jungen“ nicht mehr gebraucht.
Fachkräfte sind per Definition Arbeitnehmer und Selbständige mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung oder einem Studium, die sich zusätzliches berufsspezifisches Fachwissen angeeignet haben. Verwechselt wird in der medialen Berichterstattung die Begrifflichkeit Fachkräftemangel und Arbeitskräftemangel. Eine genaue Betrachtung ist deshalb immer sinnvoll.
Allein die Definition Fachkräfte lässt erkennen, dass dem Ausbildungs- und Weiterbildungsmarkt offenbar seit Jahren die Dynamik zur Veränderung fehlt. IT-Systeme, veränderte Werkstoffe, neue Verfahrenstechniken, neue Kommunikationsformen und selbsterklärende Lernsysteme habe bisher in der Ausbildung kaum Einzug gehalten.
Die Ausbildungsberufe haben sich innerhalb der letzten Jahrzehnte halbiert, auf jetzt 325 Ausbildungsberufe, die Zahl der Auszubildenden hat sich in den letzten zwei Jahrzenten von 800.000 auf 422.000 fast halbiert. Die Zahlen der dual studierenden steigen stetig, zuletzt im Jahr 2022 in 960 Studiengängen mit 130.000 dual Studierenden. Sie können den Verlust an Fachkräften mit rein beruflicher Ausbildung nicht ausgleichen. Es fehlen an die technologische Entwicklung angepasst gut ausgebildeten junge Menschen. Demgegenüber stehen laut Handelsblatt vom 13.06.2023 unter Berufung auf das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) 2,6 Mio. jüngere Menschen im Alter von 20 bis 34 Jahren ohne Berufsausbildung. Weitere knapp 500.000 arbeitslos registrierte Jugendliche kommen hinzu, also rund 3,1 Mio. junge Menschen, die ausgebildet werden könnten.
In den Regionen am bayerischen Untermain und Main Spessart bilden noch 22% aller Betriebe mit mehr als 20 Beschäftigte aus. Das ist für die Entwicklung der Industrie- und Dienstleistungsregionen fatal. Verbundausbildung und überbetriebliche Ausbildungszentren werden zukünftig bei immer komplexer werdenden Lerninhalten dringend notwendig. Nur so kann den Jugendlichen in den Regionen eine Ausbildungschance gegeben und der Abwanderung wirksam begegnet werden. Aber auch das schulische Bildungssystem mit Grund-, Haupt-, Gymnasial- und Berufsschulsystem wird der Entwicklung schon lange nicht mehr gerecht. Ohne Offensive für eine zeitgemäße qualitativ angepasste schulische und berufliche Ausbildung, die vordringlich die individuellen Stärken der Jugendlichen fördert, wird sich an der Gesamtsituation nichts ändern.
Von 47 Mio. Erwerbspersonen, davon 35 Mio. Voll- und Teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmerinnen nahmen 6,2 Mio. Erwerbspersonen an beruflichen Weiterbildungsmaßnahmen in 2022 teil, so das Statistische Bundesamt. 2,9 Mio. Erwerbspersonen waren an betrieblichen und rund 3,3 Mio. an außerbetrieblichen Seminaren, Trainings- und Qualifizierungsmaßnahmen, in 2022 beteiligt. Die außerbetriebliche Weiterbildung nimmt seit Inkrafttreten des Qualifizierungschancengesetz stetig zu. Allerdings fehlt es an vergleichbaren oder gesetzlichen Qualitätsstandards, insbesondere um die berufliche Anerkennung im Einkommen und der sozialen Absicherung zu gewährleisten.
Ein Drittel der über 14-Jährigen in der Bevölkerung hat Interesse an einer Weiterbildung, so das Ergebnis einer Befragung in Zusammenarbeit mit Microzensus und Statistischen Bundesamt. Das Interesse ist bei Frauen höher als bei Männern.
Eine erfreuliche Entwicklung, denn noch vor 10 Jahren lag das Befragungsergebnis bei rund 26% der über 14-Jährigen. Problematisch bleibt, je qualifizierter der bisherige schulische Bildungsabschluss, umso höher das Weiterbildungsinteresse.
Denn gerade Menschen ohne Schul- oder Berufsausbildungsabschluss sollten besonders gefördert werden. Doch sie fürchten sich vor dem verschulten System und den geistigen Anforderungen. Die Ansätze im Qualifizierungschancengesetz greifen für einen unbeschwerten Zugang zu kurz. Überdies fehlt es an der materiellen Sicherheit während der Qualifizierung, guten zertifizierten dualen Bildungsträgern und Perspektiven, das Erlernte in Betrieben anwenden zu können.
Konkrete Erfahrungen und Ergebnisse der Weiterbildung in den Regionen Alzenau, Aschaffenburg, Miltenberg und Lohr sollen in den nächsten Monaten hier dargestellt werden.
Der Deutsche Bundestag hat am 23.06.2023 nach siebenmonatiger Beratung in den verschiedensten Gremien mit Expertenanhörungen das Fachkräfteeinwanderungsgesetz beschlossen. Unumstritten fehlen in Deutschland jährlich durch Altersabgänge zusätzlich rund 400.000 Erwerbstätige, die nicht durch massive Steigerungen in der Aus- und Weiterbildung ausgeglichen werden können. Eine Entwicklung, die aus dem Demografie Bericht des statistischen Bundesamtes seit Anfang der neunziger Jahre ablesbar ist.
Das Gesetz sieht folgende Regelungen für die Einwanderung vor:
Nach Angaben der Bundesregierung sollen damit vordringlich Fachkräfte in der Pflege, in Krankenhäusern, in Kindertagesstätten und Schulen, beim Handwerk, in der schulischen Bildung und im öffentlichen wie privaten Dienstleistungsbereich aus nicht EU-Ländern zusätzlich gewonnen werden.Nach Angaben der Bundesregierung sollen damit vordringlich Fachkräfte in der Pflege, in Krankenhäusern, in Kindertagesstätten und Schulen, beim Handwerk, in der schulischen Bildung und im öffentlichen wie privaten Dienstleistungsbereich aus nicht EU-Ländern zusätzlich gewonnen werden.
Ob das gelingt, entscheidet sich nicht nur in der Attraktivität des Jobs, sondern auch am Integrationswillen unseres Landes.
Der zunehmende Bedarf an gut Qualifizierten Menschen steht im direkten Zusammenhang mit den technologischen Entwicklungen. Die Dynamik der Veränderungen hat in den letzten 8 bis 10 Jahren erheblich Fahrt aufgenommen. Sie fehlt im schulischen und beruflichen Bildungssystem. Lehrpläne, technische Ausstattungen, pädagogische Fähigkeiten, Prüfungs- und Benotungssysteme sind noch von gestern.
Die verschärfte Gewinnmaximierung in den Unternehmen hat zur fast flächendeckenden Verabschiedung vom gesellschaftlichen Auftrag, jungen Menschen eine Ausbildung anzubieten, geführt. Fast alle noch ausbildenden Betriebe beschränken sich darauf, für den Eigenbedarf auszubilden. Verbundausbildung findet nur sehr eingeschränkt statt. Staatliche Ausbildungszentren sind nicht vorhanden.
Die demografische Entwicklung zum Arbeitskräftebedarf ist seit Anfang der neunziger Jahre vorhersehbar. Der konzeptionelle Wille zur Stärkung des Industrie- und Dienstleistungsstandortes war bei den regierenden in Bund und Land nicht vorhanden. Im Gegenteil, Sozialsysteme wurden geschwächt, Zuwanderung erschwert und Verlagerungen von Betrieben steuerlich gefördert. Ein Umdenken hat erst vor wenigen Jahren begonnen.