(aus „Es kämpft sich nicht schlecht für Arbeit und Recht“ erschienen 2016 im Alibri Verlag)
Ich bin als Arbeitnehmer in der Abteilung Hydraulikmontage eingestellt worden. Ich war neugierig auf Veränderungen, ich wollte gestalten und meine Ideen einbringen. Sehr schnell haben die Kollegen in meinem direkten Arbeitsumfeld mich als ihren Sprecher gesehen. Ich mag den direkten Dialog mit Menschen. Als ich 1975 gefragt wurde, ob ich mir die Aufgabe als Vertrauensmann zutraue, habe ich nicht lange überlegen müssen und zugesagt.
In meinen Augen sind sie das Rückgrat der Arbeitnehmervertretung im Betrieb. Sie unterliegen nicht den besonderen Bedingungen des Betriebsverfassungsrechts. Sie müssen die Strömungen in der Belegschaft aufnehmen, und sie können daraus Meinungen bilden. Das führt auch manchmal zu Konflikten mit und im Betriebsrat, aber es stärkt immer die Arbeitnehmer bei der Verfolgung ihrer Interessen. Betriebsräte brauchen in den Betrieben Vertrauensleute in allen Abteilungen, um die Informationen im direkten Dialog auszutauschen, trotz oder gerade auch wegen der Überflutung mit den elektronischen Medien.
Sie brauchen ein gutes gesellschaftspolitisches Fundament, ein Interesse an Diskussionen, eine Bereitschaft zum Meinungsaustausch und zur Kritikfähigkeit, aber vor allem müssen sie mit Menschen umgehen wollen. Und natürlich brauchen sie die Bereitschaft sich weiterzubilden, um die Entwicklungen im Betrieb, aber auch darüber hinaus zu verstehen und einordnen zu können. Heute würde man sagen, sie brauchen eine hohe soziale Kompetenz. Natürlich müssen sie auch Kritik aus der Belegschaft aushalten können, insbesondere in Krisenzeiten oder wenn es nicht so läuft, wie man sich das vorstellt.
Vertrauensleute müssen ja – anders als Betriebsräte – ihre Aufgaben in den Pausen, in der arbeitsfreien Zeit erledigen. Es gehört also viel Idealismus dazu. Aber mit Kreativität lässt sich auch ein Teil der Arbeit im normalen Arbeitsprozess bewältigen. Gespräche mit den Vorgesetzten, mit den Arbeitskollegen auch in anderen Abteilungen, zum Beispiel in der Entwicklung oder im Vertrieb, lassen sich durchaus führen. Vertrauensleuteversammlungen und Sitzungen in den Bereichen finden im Regelfall außerhalb der Arbeitszeit statt.
Die wichtigsten Erfolge sind die in der Tagesarbeit mit den verschiedensten Arbeitnehmergruppen, das sind die, von denen keiner spricht, das „Wir“, das Gemeinsame, das Solidarische, das Verlässliche. Aber natürlich gibt es Erfolge mit weiter Ausstrahlung, zum Beispiel
Natürlich gibt es auch Misserfolge, immer dann, wenn trotz des eigenen Engagements Menschen benachteiligt werden, wenn sie ihren Job verlieren oder wenn trotz des Engagements ein Betrieb in der Region verschwindet. Doch diese Misserfolge haben immer zu Lernprozessen geführt und mich in meinem Handeln gestärkt.
In Krisenzeiten und bei der Durchsetzung konkreter Ziele wird die enorme Kraft der Solidarität spürbar. 2008/2009, als wir die Arbeitszeit in den Linde-Betrieben für alle massiv abgesenkt haben, um die Arbeitsplätze zu sichern, aber auch in den konkreten Konfliktsituationen bei den Verkäufen 2006 und 2012 und auch in 2014, als klar war, dass die Aufträge aus China ausblieben, war ein enormes „Wir“ sichtbar und hat uns letztendlich zu positiven Ergebnissen geführt. Solidarität braucht klare Botschaften, mutige und kluge Köpfe. Mit unseren 130 Vertrauensleuten bei Linde und knapp 900 in der Aschaffenburger Region können wir Solidarität organisieren. Das haben wir mehrfach bewiesen. Aus der Solidarität heraus entwickeln wir unsere Stärke.
(Das Gespräch mit Dieter Imhof führte Herbert Reitz im Februar 2016.)