Seit Januar in Kraft: Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz
Mehr Transparenz in der Lieferkette?

Skandale verursacht durch fehlenden Umweltschutz und Unglücke wegen mangelhaften Arbeitsschutzmaßnahmen und ständige Kritik an den Standards in den Lieferketten der Unternehmen haben die Europäische Union und den deutschen Gesetzgeber gezwungen zu handeln.

25. Mai 202325. 5. 2023


Seit Januar ist das Lieferkettengesetzes (Lieferkettensorgfaltsgesetz) in Kraft und die Betriebsräte spielen bei der Umsetzung eine wichtige Rolle. Wir befragten die Betriebsratsvorsitzenden von Bosch-Rexroth in Lohr, von WIKA in Klingenberg und Linde Material Handling in Aschaffenburg, wie es um die Anwendung des Gesetzes bei uns in der Region aussieht.

Klaus Friedrich, Betriebsratsvorsitzender bei Bosch-Rexroth diskutiert in eine Betriebsversammlung.Klaus Friedrich, Betriebsratsvorsitzender bei Bosch-Rexroth diskutiert in eine Betriebsversammlung.

Klaus Friedrich

Betriebsratsvorsitzender der Bosch Rexroth AG (Hydraulik) in Lohr

Klaus Friedrich berichtet, dass bei der Konzernmutter der Robert Bosch AG und bei der Bosch Rexroth AG viele Einzelmaßnahmen zur Umsetzung erfolgen. Zum Beispiel die Einhaltung der Sorgfaltspflichten in ihrem Einkaufs- und Governance Systemen werden Gegenstand regelmäßiger Berichterstattung.

Das Wichtigste für die Firma ist sich rechtlich abzusichern. Die erweiterten Rechte und Pflichten der Betriebsräte betreffen weniger die lokalen Betriebsräte, sondern sind Thema auf Unternehmensebene Gesamtbetriebsrat und Konzernbetriebsrat, sowie in den jeweiligen Aufsichtsräten. Die Themen sind nicht neu. Bereits seit ca. 10 Jahren gibt es im Europäischen Betriebsrat des Bosch-Konzerns Diskussion zum Umgang mit den Lieferanten in der ganzen Welt. Bei Bosch Rexroth werden weltweit bislang ca.1600 Lieferanten mit jeweils mehr als 100T€ Einkaufsvolumen durch verschiedene Maßnahmen gecheckt. In Zukunft sollen auch noch Maßnahmen für die große Anzahl der kleineren Lieferanten folgen. Die Dokumentation der Aktivitäten erfolgt im Rahmen der Risikomanagementsysteme.

Die Betriebsratsvorsitzende von WIKA Christine Scholl während einer Betriebsratssitzung.Die Betriebsratsvorsitzende von WIKA Christine Scholl während einer Betriebsratssitzung.

Christine Scholl

Betriebsratsratsvorsitzende bei der WIKA Alexander Wiegand SE & Co. KG in Klingenberg

Wie in allen von dem neuen Gesetz betroffenen Betrieben wird die Umsetzung nicht über Nacht erfolgen können. Sie wird bei uns in Klingenberg durch eine Projektgruppe vorangetrieben. Aktuell steckt da noch einiges in den „Kinderschuhen“.

Die Risikoanalyse wird anhand des spezifischen Länderrisikos durchgeführt. Ein Schwerpunkt der Umsetzung bei WIKA sind die Überwachung der Lieferanten von Produktionsmaterialien. In der Konsequenz müssen dann die WIKA-Richtlinien angepasst und erweitert werden. Wir werden alle damit zusammenhängenden Themen wie zum Beispiel Schulung aufgreifen und die Kontrollpflichten nach § 87 BetrVG dazu wahrnehmen. Aktuell hat sich der Betriebsrat noch nicht mit dem Thema befasst. Mit der Umsetzung des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz ab Januar wird großes Rad gedreht. Allein für WIKA in Klingenberg und seine Niederlassungen in Deutschland müssen 1400 Lieferanten gecheckt werden.

Özcan Pancarci, Betriebsratsvorsitzender Linde Material Handling berichtet in einer BetriebsversammlungÖzcan Pancarci, Betriebsratsvorsitzender Linde Material Handling berichtet in einer Betriebsversammlung

Özcan Pancarci

Betriebsratsvorsitzender bei Linde Material Handling (KION-Konzern) in Aschaffenburg

Das Unternehmen hat dem Aufsichtsrat einen Fahrplan zur Umsetzung des Lieferkettengesetzes vorgestellt und eine vorläufige Grundsatzerklärung auf der Internetseite veröffentlicht. Diese Grundsatzerklärung wird gemeinsam mit Gewerkschaft und Arbeitnehmervertretern überarbeitet.

Parallel dazu führt das Unternehmen eine Risikoanalyse des eigenen Geschäftsbereiches, sowie der unmittelbaren Lieferantenbeziehungen durch. Was die Kontrollpflichten der Betriebsräte betrifft haben wir klare Ziele. Die Betriebsräte und Arbeitnehmervertreter:innen im Aufsichtsrat wollen den Prozess proaktiv begleiten und mitgestalten und nutzen dafür unter anderem die Informationsrechte nach § 106 des Betriebsverfassungsgesetzes. Darüber hinaus bestehen diverse Mitbestimmungsrechte bei der Umsetzung der einzelnen Bestandteile des Lieferkettengesetzes z.B., wenn es um die Einrichtung oder Anpassung des Hinweisgebersystems oder die Durchführung von Schulungen geht. Geplant ist im KION-Konzern auch die Gründung eines Menschenrechtskomitee und Beteiligung von Gewerkschaft und Arbeitnehmervertreter:innen das bei der Umsetzung des Lieferkettengesetzes helfen soll. Bei rund 40.000 Lieferanten weltweit ist das Problem der Umsetzung des Lieferkettengesetzes riesengroß. Das Unternehmen muss einerseits Informationen im Rahmen der Nachhaltigkeitsberichterstattung veröffentlichen, anderseits sieht das Gesetz eine jährliche Berichterstattung an das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) vor.