Dieter-Imhof-Saal
Dieter Imhof

Dieter Imhof (* 1950 | † 2016)

9. Juli 20259. 7. 2025


Dieter Imhof im Jahr 2016 Dieter Imhof im Jahr 2016

Dieter Imhof

  • Eintritt in die IG Metall 1973

  • von 1974 an bei Linde in Aschaffenburg und ab 2012 bei Linde Hydraulics beschäftigt, bis zur Rente im Juni 2015

  • von 1992 bis 2015 Vertrauenskörperleiter

  • von 1996 bis 2015 Vorsitzender aller Vertrauensleute in der Region Aschaffenburg

  • von 2004 bis 2008 in der Leitung der bayerischen Vertrauensleute

  • freigestellter Betriebsrat ab 1996, von 2012 bis 2015 stellvertretender Betriebsratsvorsitzender bei Linde Hydraulics GmbH

Im Gespräch...

(aus „Es kämpft sich nicht schlecht für Arbeit und Recht“ erschienen 2016 im Alibri Verlag)

Warum bist du Vertrauensmann der IG Metall geworden?

Ich bin als Arbeitnehmer in der Abteilung Hydraulikmontage eingestellt worden. Ich war neugierig auf Veränderungen, ich wollte gestalten und meine Ideen einbringen. Sehr schnell haben die Kollegen in meinem direkten Arbeitsumfeld mich als ihren Sprecher gesehen. Ich mag den direkten Dialog mit Menschen. Als ich 1975 gefragt wurde, ob ich mir die Aufgabe als Vertrauensmann zutraue, habe ich nicht lange überlegen müssen und zugesagt.

Was ist das Besondere an Vertrauensleuten?

In meinen Augen sind sie das Rückgrat der Arbeitnehmervertretung im Betrieb. Sie unterliegen nicht den besonderen Bedingungen des  Betriebsverfassungsrechts. Sie müssen die Strömungen in der Belegschaft aufnehmen, und sie können daraus Meinungen bilden. Das führt auch manchmal zu Konflikten mit und im Betriebsrat, aber es stärkt immer die Arbeitnehmer bei der Verfolgung ihrer Interessen. Betriebsräte brauchen in den Betrieben Vertrauensleute in allen Abteilungen, um die Informationen im direkten Dialog auszutauschen, trotz oder gerade auch wegen der Überflutung mit den elektronischen Medien.

Was brauchen Vertrauensleute, um ihre Aufgaben zu bewältigen?

Sie brauchen ein gutes gesellschaftspolitisches Fundament, ein Interesse an Diskussionen, eine Bereitschaft zum Meinungsaustausch und zur Kritikfähigkeit, aber vor allem müssen sie mit Menschen umgehen wollen. Und natürlich brauchen sie die Bereitschaft sich weiterzubilden, um die Entwicklungen im Betrieb, aber auch darüber hinaus zu verstehen und einordnen zu können. Heute würde man sagen, sie brauchen eine hohe soziale Kompetenz. Natürlich müssen sie auch Kritik aus der Belegschaft aushalten können, insbesondere in Krisenzeiten oder wenn es nicht so läuft, wie man sich das vorstellt.

Wie bewältigen Vertrauensleute ihre Herausforderungen?

Vertrauensleute müssen ja – anders als Betriebsräte – ihre Aufgaben in den Pausen, in der arbeitsfreien Zeit erledigen. Es gehört also viel  Idealismus dazu. Aber mit Kreativität lässt sich auch ein Teil der Arbeit im normalen Arbeitsprozess bewältigen. Gespräche mit den Vorgesetzten, mit den Arbeitskollegen auch in anderen Abteilungen, zum Beispiel in der Entwicklung oder im Vertrieb, lassen sich durchaus führen. Vertrauensleuteversammlungen und Sitzungen in den Bereichen finden im Regelfall außerhalb der Arbeitszeit statt.

Was waren die größten Erfolge? Gab es auch Misserfolge?

Die wichtigsten Erfolge sind die in der Tagesarbeit mit den verschiedensten Arbeitnehmergruppen, das sind die, von denen keiner spricht, das „Wir“, das Gemeinsame, das Solidarische, das Verlässliche. Aber natürlich gibt es Erfolge mit weiter Ausstrahlung, zum Beispiel

  • die Auseinandersetzungen um die Gießerei Anfang der 1990er Jahre in Schweinheim,
  • den Erhalt der Linde-Hydraulik im Zusammenhang mit dem Verkauf der LHY und den Auseinandersetzungen, sämtliche Hydraulikstandorte für die Mitarbeiter zu erhalten und den Ausbau zu sichern,
  • die Solidaritätsaktionen mit vielen Betrieben in der Region, aber auch weit darüber hinaus,
  • die Mobilisierung der Beschäftigten in den jeweiligen Tarifkonflikten, die erfolgreichen Warnstreiks,
  • das Durchsetzen unserer Positionen in der IG Metall, ob zu Tarif-, Bildungs-, sozial- oder gesellschaftspolitischen Themen.

Natürlich gibt es auch Misserfolge, immer dann, wenn trotz des eigenen Engagements Menschen benachteiligt werden, wenn sie ihren Job verlieren oder wenn trotz des Engagements ein Betrieb in der Region verschwindet. Doch diese Misserfolge haben immer zu Lernprozessen geführt und mich in meinem Handeln gestärkt.

Gibt es noch eine „gelebte Solidarität“?

In Krisenzeiten und bei der Durchsetzung konkreter Ziele wird die enorme Kraft der Solidarität spürbar. 2008/2009, als wir die Arbeitszeit in den Linde-Betrieben für alle massiv abgesenkt haben, um die Arbeitsplätze zu sichern, aber auch in den konkreten Konfliktsituationen bei den Verkäufen 2006 und 2012 und auch in 2014, als klar war, dass die Aufträge aus China ausblieben, war ein enormes „Wir“ sichtbar und hat uns letztendlich zu positiven Ergebnissen geführt. Solidarität braucht klare Botschaften, mutige und kluge Köpfe. Mit unseren 130 Vertrauensleuten bei Linde und knapp 900 in der Aschaffenburger Region können wir Solidarität organisieren. Das haben wir mehrfach bewiesen. Aus der  Solidarität heraus entwickeln wir unsere Stärke.

(Das Gespräch mit Dieter Imhof führte Herbert Reitz im Februar 2016.)